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Kaleidoskop
bunter Bahntechnik Auf
Entdeckungsreise rund um Lissabon und Porto Gar nicht so weit
entfernt liegt es, das sonnige Land im Westen der Iberischen Halbinsel - und
stellt dennoch für den typischen deutschen Touristen bisher kein alltägliches
Reiseziel dar. - Noch weniger bekannt ist Portugal schließlich im Kreis der
Eisenbahnenthusiasten. Hier darf es allerdings zweifelsohne als wahrer
Geheimtipp gelten: Nicht nur die großen und kleinen Fernbahnen können dem
Bahnfan Inspiration bieten. Portugal besticht durch eine bemerkenswerte
Mannigfaltigkeit an historischen Straßenbahnen, welche in derart lebendiger
Form im westlichen Europa sonst wohl nirgendwo mehr zu finden sein dürfte.
Allerdings hat der Nachbarstaat Spaniens seinen interessierten Gästen noch bei
weitem mehr zu bieten… Jenes facettenreiche Flair
fasziniert Vorbild-Begeisterte ebenso wie den Modelleisenbahner, welcher eine
satte Fülle von Anregungen findet: Wer erst einmal auf portugiesischem Boden
angelangt ist, stellt sich recht schnell die Frage, weshalb er denn nicht schon
viel früher hergekommen sei. Ein Panoptikum der angenehmen Überraschungen hat
den Weltoffenen in Empfang genommen. Die Fahrt mit der noch heute
jenen blankgewienerten Charme längst vergangener Zeiten ausstrahlenden Trambahn
von Lissabon ist für jeden Portugal-Besucher ohnehin ein „Muss“. Uralte und
durchweg farbenfroh gelackte Straßenbahn-Zweiachser, welche sich mit
lanzenartigen Stangenstromabnehmern bewaffnet auf 900 mm-Schmalspur durch die
engen und steilen Gassen der Hauptstadt winden, glänzen mit stilecht
nostalgischen Fahrgasträumen der Holzklasse und überwinden selbst dieser Tage
noch - dank erneuerter Fahrwerke - extremste Steigungen. Ihre bei angenehmer
Witterung stets geöffneten Fenster erlauben einen ungehinderten Blick auf
pulsierendes Leben und manch liebenswerte Kuriosität am Rande der Strecke. Zentimetergenaue
Peilung So kommt es beispielsweise
im Bereich zahlreicher Engpässe nicht selten vor, dass der Triebfahrzeugführer
plötzlich aussteigt, um den Seitenabstand zu parkenden Kraftfahrzeugen
sicherheitshalber nochmals anzupeilen. Anschließend wird mit nur wenigen
Zentimetern Zwischenraum das automobile Hindernis in Schleichfahrt passiert, -
ein unvergessliches Erlebnis! – Bimmelnd und polternd, im stetigen Wechselbad
forscher Bremsung und zackiger Beschleunigung, - so rüttelt die alte Tram den
Enthusiasten unweigerlich ins subjektive Glücksempfinden! – Ganz gleich, ob die 600 Volt
Gleichspannung wahlweise über Stangen- oder Einholmstromabnehmer den Motoren
zugeführt werden, die Faszination einer solchen Fahrt mit der Linie 28 bleibt
dieselbe: Eine Vielzahl weiter Ausblicke auf die hügelige Stadtsilhouette
Lissabons bereichert das Auge ebenso wie romantische Einblicke in pittoresk
verwinkelte Hinterhöfe. Kunstvolle
Ausfädelung Besonders interessant
erscheint auch so manch kunstvolle Gleisführung an engen Straßenkreuzungen:
Soll beispielsweise nach links abgebogen werden, verlässt man zunächst das
Stammgleis über eine Rechtsweiche, schwenkt aufs Trottoir aus, um das
Stammgleis anschließend wieder im 50°-Winkel zu kreuzen und so letztendlich
doch noch links einzubiegen… Die erste elektrische Straßenbahn
auf portugiesischem Boden fuhr allerdings nicht in Lissabon, sondern in der nördlicher
gelegenen Stadt Porto, wo schon seit 1872 eine Pferdebahn verkehrte. Damals
schrieb man das Jahr 1895. Doch auch die „große“ portugiesische Eisenbahn
„Caminhos de Ferro Portugueses“, kurz „CP“ genannt, bietet mit ihren
sehenswerten Bahnhöfen dem Eisenbahnfreund eine schier unermessliche Fülle an
Entdeckungsmöglichkeiten. Flottes
Flaggschiff In der Gegenwart gelangt man
von Lissabons Kopfbahnhof Santa Apolónia aus bequem mit dem „Alfa
Pendular“-Schnelltriebwagen nach Porto. Die Reise auf 1620 mm-Breitspur bei
einer zeitweisen Spitzengeschwindigkeit von 225 km/h dauert rund drei Stunden.
Wie der italienische „Pendolino“ oder dessen deutsche Pendants gleicht auch
dieses Flaggschiff der Portugiesischen Staatsbahn „CP“ jene in Kurven
auftretenden Fliehkräfte mit entsprechender Wagenkasten-Neigung aus. Im Bahnhof
Porto-Campanha angekommen, befindet
man sich noch weit entfernt vom eigentlichen Stadtzentrum. Momentan dominieren
dort umfangreiche Bau-Aktivitäten. Gigantisches
Neubauprojekt In Porto gibt es heute nur
noch zwei mit historischen Fahrzeugen betriebene Trambahn-Linien, die „1E“
und „18“. Dafür wird derzeit aber am Ausbau eines modernen
Stadtbahn-Netzes, werbewirksam „Metro do Porto“ genannt, mit Feuereifer
gearbeitet. Denn bis zur nächsten Fußball-Europameisterschaft, welche ja in
Porto stattfinden wird, soll dieser Prestigeträger - neben zahlreichen anderen
attraktiven Neubauten - den Gästen vorzeigbar gediehen sein. Das später
insgesamt rund 70 Kilometer lange Streckennetz gilt gegenwärtig sogar als größtes
Stadtbahn-Neubauprojekt Europas! Geplant ist die Aufgliederung in insgesamt vier
Einzellinien. Drei davon dienen dann auch der Anbindung des weit vor den Toren
der Kernstadt gelegenen Fernbahnhofs Campanha.
Im Dezember 2002 wurde ein erster fragmentarischer Streckenabschnitt feierlich
eröffnet, welcher abschnittsweise ganz genau dem Verlauf einer ehemaligen
Schmalspurbahn folgt. Einst
umfangreiches Meterspurnetz Von Porto aus bestehen sehr
gute Möglichkeiten erlebnisreicher Tagesausflüge zu Eisenbahn-Attraktionen in
näherer Umgebung, darunter das kleine – aber durchaus sehenswerte –
Bahnmuseum in Lousado. In einem alten Lokomotivschuppen untergebracht,
begeistert diese Ausstellung vor allem Schmalspur-Freunde mit einer Vielzahl
interessanter Exponate, darunter selbstverständlich auch einige
Dampflokomotiven. Dem aufmerksamen deutschen Besucher entgehen kaum deren
wohlbekannte Fabrikschilder. Die Kasseler Firma Henschel exportierte einst
zahlreiche Dampfrösser nach Portugal; unter anderem wurden auch
Meterspur-Maschinen an jenes früher äußerst umfangreiche Streckennetz rund um
Porto geliefert. Bis in die Gegenwart hielten
sich dagegen einige meterspurige Schmalspurbahnen in den ländlichen Gebieten
Portugals. Eine davon führt vom östlich der Stadt Porto gelegenen Régua
hinauf nach Vila Real. Gekachelte
Kunstwerke Zirka zwei Stunden Bahnfahrt
auf portugiesischer Breitspur trennen Porto von Régua, gelegen im durchweg von
malerischer Schönheit geprägten Tal des rechterhand fließenden Stroms Douro. Ausgangspunkt dieser Reise
kann jener im Herzen Portos gelegene Kopfbahnhof Sao Bento sein, welcher mit großstädtischem Flair in durchaus
modellbahngerechten Dimensionen besticht: Die relativ kurzen Bahnsteige zwängen
sich hallenüberdacht zwischen das in seinem Inneren von bemerkenswerten
Kachelbildern geschmückte Empfangsgebäude und die Portale mehrerer Tunnelröhren. Wie fast alle
traditionsreichen portugiesischen Bahnhofsgebäude glänzt auch jenes der
Ortschaft Régua mit wunderschönen Kachel-Verzierungen seiner Fassade. Selbst
das kleine Gebäude der Bahnhofstoilette macht hier keine Ausnahme. Schienenbusse
und Gleisgewirr Ist der - stromaufwärts des
Douro - Reisende in Régua angekommen, entdeckt er schnell jene roten, für die
Fahrt nach Vila Real bereitstehenden Schmalspur-Triebwagen, welche reinen
Gewissens als moderne Schienenbusse bezeichnet werden dürfen. Allerdings
erinnern diese Vierachser weniger an die Klassiker aus Uerdingen oder Bautzen,
bieten jedoch dem Fahrgast eine ebenso freie Rundumsicht auf Landschaft und
Strecke. Deren erste Besonderheiten erschließen sich bereits beim Verlassen des
Bahnhofs Régua, dessen Gleisanlagen sich nicht etwa klar in einen schmal- und
einen breitspurigen Bereich aufgliedern lassen, sondern das beeindruckend wirre
Durcheinander jener verschiedenen Spurweiten offenbaren, durch welches sich der
Betrieb umso interessanter gestaltet. Wartungsfreies
System Anschließend überwinden
die beiden verschiedenspurigen Streckengleise gebündelt zu einem einzigen
Vierschienengleis auf stählerner Fachwerk-Kastenbrücke das Seitental des
Flusses Corgo, welcher rechterhand in den Douro mündet. Unser Schmalspurgleis
verlässt unmittelbar nach dem jenseitigen Widerlager die Hauptbahn, um mittels
scharfer Linkskrümmung ins Corgo-Tal einzuschwenken. Der Vorteil dieses
Vierschienengleises gegenüber jenem auf deutschem Boden in ähnlichen
Situationen verwendeten Dreischienengleis liegt auf der Hand: Beim
Vierschienengleis erfolgt die Ausfädelung ganz ohne bewegliche Weichenzunge und
ausschließlich mittels zweier Herzstücke! Damit ist das portugiesische System
praktisch wartungsfrei. Tausend
Perspektiven Von nun an geht es spürbar
bergan, werden doch auf den nächsten 26 Kilometern im Tal des Corgo rund 400
Meter Höhenunterschied erklommen! Atemberaubend ist der durchweg linksseitige
Panorama-Ausblick über schier unendliche Weinkulturen hinab zum wild schäumenden
Flusslauf. Jener in dieser Gegend vorherrschende mediterrane Charme lässt sich
mit der Besonderheit eines extrem begünstigten Mikroklimas erklären. Rechtsseitig schmiegt sich
der Triebwagen an den Berghang, folgt treu jeder natürlichen Krümmung.
Gebettet in die steinernen Weinberg-Terrassen ruht sicher sein kurviger Gleiskörper.
Sporadisch säumen menschliche Ansiedlungen, ganze Olivenhaine sowie unzählige
einzelne Ölbäume diese „Strecke der tausend Perspektiven“, wie sie
treffend bezeichnet werden könnte. Nach jeder Krümmung bieten sich ungeahnte
neue Ausblicke, deren stetiger Zugewinn an Attraktivität proportional zu jenem
an Höhe geschieht. Das Gleis schlängelt sich wild durch Haarnadel-Kurven und
überwindet Seitentäler auf gemauerten Bogenbrücken. Bestückt mit weißen
Keramik-Isolatoren markieren hölzerne Telegrafenstangen von weither sichtbar
den Trassenverlauf: Jenen gerade eben noch durchfahrenen Bahnhof von Carrazedo
erkennt man so wenige Minuten später aus der Vogelperspektive links des Zuges
deutlich tiefer am gegenüberliegenden Berghang… Nach rund 50 Minuten Fahrt
wird schließlich die Hochebene und damit auch die Kleinstadt Vila Real
erreicht. Deren Bahnhof fungierte zu früherer Zeit allerdings noch nicht als
Endpunkt; die Meterspurbahn führte weiter bis nach Chaves. In Vila Real zeugen
noch die alte Drehscheibe sowie ein Dampflok-Denkmal von dieser interessanten
Vergangenheit. Genuss
pur Eine ebenfalls von Henschel
stammende 1’D 2’-Maschine wird regelmäßig in Régua angeheizt und führt
stattliche, aus hölzernen Plattformwagen gebildete Sonderzüge auf der
Breitspurbahn entlang des Douro bis Tua. Auf deutschem Boden sind derartige
Sonderfahrten seit Aufhebung des Dampflok-Fahrverbots im Jubiläumsjahr 1985 längst
zur Gewohnheit geworden und laufen in der Regel alle sehr ähnlich ab: Immer
wieder kommt es zu (im wahrsten Wortsinne) bierernsten Reibereien um die besten
Fotostandpunkte… Doch in Portugal setzt man
die Prioritäten ganz anders, - dort
ist die 1925 gebaute Dampflok mit der CP-Betriebsnummer 186 nur Mittel zum Zweck
und steht weniger im direkten Rampenlicht. - Die Portugiesen genießen neben dem
im Fahrpreis inbegriffenen Portwein vor allem das Flair einer solchen Fahrt,
inhalieren tief jenen Duft der guten alten Zeit, singen und tanzen im fahrenden
Zug. Mit ihrer feurigen Lebenslust locken sie selbst den schüchternsten
Touristen aus der Reserve! Zypressen säumen den
Bahndamm, Kakteen wuchern wie daheim der Löwenzahn. Bald ist Tua erreicht,
Wendepunkt der Sonderfahrt und Ausgangsstation einer weiteren 1000
mm-Bergstrecke. Die Breitspur-Maschine wird mit Muskelkraft gedreht, was bei
dieser Tenderlok sicher eigentlich gar nicht nötig wäre, - doch es macht den
Menschen offenbar einfach Spaß… Douro-abwärts geht es zurück
Richtung Régua und Porto. Umfassende
Fahrzeugsammlung Durchweg am Flussufer des
Douro verläuft im Stadtgebiet Portos die ausschließlich mit historischen
Fahrzeugen betriebene Trambahn-Linie 1E. Als Herzstück dieser Strecke fungiert
das alte Depot, wo sich heute ein stattliches Straßenbahnmuseum etabliert hat.
Die umfangreiche Sammlung dürfte jeden Liebhaber maßlos begeistern: Vom
Pferdebahn-Wagen an sind Straßenbahnfahrzeuge sämtlicher Zeitepochen bis hin
zu einem Designer-Modell der „Metro do Porto“ im Maßstab 1.1 vertreten.
Eine Kinder-Ecke samt Modelleisenbahnanlage rundet die Ausstellung ab. An der
Museumskasse werden sogar 1:87-Straßenbahnmodelle nach portugiesischen
Vorbildern in recht ansprechender Qualität zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis
angeboten. Kühne
Brückenschläge Ein unverkennbares
Wahrzeichen Portos stellt die knapp 70 Meter hohe Eisen-Bogenbrücke „Ponte de
D. Luis I“ über den schiffbaren Strom Douro dar. Bis Ende der 1950er Jahre
wurde die obere Ebene dieser markanten Doppelstockbrücke bereits von Straßenbahnen
mitbenutzt. Auch eine Linie der neuen Stadtbahn soll ab 2004 den gleichen Weg
nehmen und somit diese alte Tradition wieder aufleben lassen. Zwischenzeitlich
wurden sogar beide Brückenebenen von Obussen befahren. Dem Touristen bietet sich
von dort ein herrlicher Blick auf die Altstadt Portos und das so genannte „Ribeira-Viertel“,
jene malerische Hafengegend mit den landestypisch bunt gekachelten Hausfassaden
und ihren Ufer-Promenaden von geradezu prickelnder Lebensfreude. Etwas stromaufwärts überspannt
skelettartig die ganz ähnlich aufgebaute alte Eisenbahnbrücke den Douro,
welche aber längst nicht mehr befahren wird. Heutige Züge zum Bahnhof Campanha
nehmen den Weg über einen benachbarten und im Gegensatz zur alten
Konstruktion sogar zweigleisig ausgelegten Spannbeton-Viadukt. Wie hierzulande hat also
auch in Portugal die Zukunft längst begonnen. Für eine Reise dorthin wird es
sicherlich nie zu spät sein, jene derzeit noch so lebendige portugiesische
Eisenbahn-Romantik macht sich allerdings zusehends rarer. Michael Robert Gauß |
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